Biografie

Ein ganz normaler Mittwoch im Februar in der französischen Stadt Brest. Der erste Mittwoch in diesem Monat, der 6. Februar – im Jahr 1929. An diesem Tag blinzelt ein kleiner Bretone zum ersten Mal ins Tageslicht. Nein, mit Winnetou hat der kleine Erdenbewohner noch nicht viel zu tun. Seine stolzen Eltern taufen ihn auf den Namen Pierre Louis le Bris.

 Pierre Brice, wie er sich später nennen wird, kommt als zweites Kind einer altadligen Familie zwischen den beiden Weltkriegen zur Welt. Der Vater ist Marineoffizier, die Mutter zieht Pierre und seine Schwester Yvonne groß. Die Geschwister werden religiös und mit einer gesunden Portion Patriotismus erzogen.
 Pierre ist elf Jahre alt, als die Nazis in Frankreich einmarschieren. Der Vater kämpft in der Résistance, im Widerstand; Pierre, seine Mutter und seine Schwester fliehen in das kleine Dorf Lesneven und suchen Unterschlupf bei seiner Tante.



Pierres Eltern
Pierres Eltern
Pierre als Kleinkind
Pierre als Kleinkind
Pierre mit seiner Schwester Yvonne
Pierre mit seiner Schwester Yvonne

Pierre schämt sich für die französische Armee, die sich scheinbar nicht gegen den Feind aus Deutschland wehren kann, und beschließt, etwas für sein Land zu tun. Mit 15 Jahren ist Pierre Anhänger Charles de Gaulles' und schließt sich dem Widerstand an. Er arbeitet als Botenjunge und lernt die Schrecken des Krieges kennen. Er lernt aber auch, die Menschen zu unterscheiden und nicht alle Deutschen mit den Nazis über einen Kamm zu scheren.

 Nach Kriegsende geht Pierre Brice mit dem Militär für zwei Jahre nach Algerien und wird zum Froschmann ausgebildet. Dann zum Fallschirmjäger, der vier Jahre lang in Indochina, dem heutigen Vietnam, kämpft. In dieser Zeit lernte Pierre Brice was es heißt, Kameraden und Freunde zu haben. "Nie wieder", wird er später sagen, "hatte ich so gute Freunde wie beim Militär."



Marineschule
Marineschule
Commando Marine
Commando Marine

1951 kehrt Pierre Brice aus Indochina zurück. Mit drei Tapferkeitsmedaillen und Erfahrungen, die sein weiteres Leben geprägt haben. Er möchte gerne Schauspieler werden, doch sein Vater sähe seinen Sohn lieber in einem "anständigen" Beruf. Adel verpflichtet. Er setzt sich gegen seine Eltern durch und nimmt Schauspielunterricht beim russischen Schauspieler Grégory Chmara. Die erhofften Engagements bleiben aber anfangs aus. Anstatt auf der Bühne zu stehen und Filme zu drehen, verkauft Pierre Schreibmaschinen, arbeitet als Model für Werbung und Fotoromane und schließt sich der Artistengruppe "Trio Gansser" als akrobatischer Tänzer an. 



Werbung Brilline
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Modemagazin: Pierre Brice und Brigitte Bardot
Modemagazin: Pierre Brice und Brigitte Bardot

1954 kommt seine Karriere allmählich ins Rollen. In dem Film "Ça va barder" (Harte Fäuste - heißes Blut) hält Pierre Brice dem berühmten Eddie Constantine die Tür auf. Er dreht mit Michèle Morgan, spielt im Theater Leo Tolstoi und Victor Hugo. Die meisten Angebote jedoch kommen aus Spanien und Italien, wo Pierre Brice hauptsächlich dreht und sehr erfolgreich wird.

 Der spanische Film "Los Atracadores" führt Pierre Brice 1962 erstmals nach Deutschland, wo der Film auf der Berlinale präsentiert wird.

Los Atracadores
Los Atracadores

Neben Dutzenden von Produzenten ist ein Berliner unter ihnen, der von seinem Sohn – so sagt es die Legende – einen Floh ins Ohr gesetzt bekam. Der Steppke meinte zu seinem Vater, dass der nicht nur Edgar-Wallace-Filme drehen sollte, sondern auch mal Karl-May-Filme. Das Drehbuch für "Der Schatz im Silbersee" war fertig, Lex Barker hatte für die Rolle des "Old Shatterhand" zugesagt, nur der zweite Hauptdarsteller fehlte noch: "Winnetou". Dieser Produzent war Horst Wendlandt. Er sah Pierre Brice und wusste sofort: "Das ist mein Winnetou!" Wendlandt sprach Pierre Brice zwar nicht an, dafür starrte er ihn an. Als er sich entschließt, Pierre Brice anzusprechen, ist dieser längst abgereist.

Einige Wochen später stößt Wendlandt über Ivan Desnys Agentin auf Pierres Managerin. Pierre befindet sich auf einem Segeltörn auf seiner Yacht vor Cannes, als seine Managerin ihm vom Angebot aus Berlin erzählt. Er ist skeptisch: Er soll einen Indianer spielen? Von einem Karl May hatte er noch nie was gehört. Er besorgt sich eine französische Winnetou-Ausgabe und ist von der Figur begeistert. Er sagt zu und 14 Tage später beginnen die Dreharbeiten in Jugoslawien. 

Bis zur Premiere des Films "Der Schatz im Silbersee" war nicht vorhersehbar, wie viel Erfolg Pierre Brice mit dieser Rolle haben sollte, die ihm ewig anhaften wird. Schon während der Dreharbeiten zu "Winnetou III" rollt 1965 eine Protestwelle durch Deutschland, als Winnetou im letzten Teil der Trilogie sterben sollte. Die Menschen gehen auf die Barrikaden und bombardieren Produzent Wendlandt mit Briefen. Mit dem Versprechen, dass trotz Winnetous Tod weitere Winnetou-Filme folgen, kann er die aufgebrachten Massen beruhigen. 



Von 1962 bis 1968 verkörpert Pierre Brice den Apachen-Häuptling elfmal auf der Kino-Leinwand. Er avanciert zum Mega-Star schlechthin. Das Jugendmagazin "BRAVO" hievt ihn 56 Mal auf die Titelseite – außer Nena schaffte niemand diesen Rekord – und widmet ihm drei Starschnitte. Der BRAVO-Otto bekommt Winnetous wegen die Figur eines Indianers; 12 Mal erhält Pierre Brice diese Publikums-Auszeichnung, davon neunmal in Gold. Unter anderem wurde er mit fünf Bambis und der Goldenen Kamera ausgezeichnet.

 Pierre Brice versucht sich auch als Sänger. Seine Fans, die Winnetous echte Stimme hören wollten, brachten ihn dazu. 1965 landet Pierre mit dem Lied "Ich steh allein" sogar auf Platz Drei der BRAVO-Musikbox – vor ihm sind die Beatles und die Rolling Stones platziert.



Nach dem Ende der Karl-May-Welle versucht Pierre Brice

an seinen Erfolg als "Winnetou" anzuknüpfen, doch das Publikum akzeptiert ihn nicht in dem Maße wie mit hirschledernem Kostüm und schwarzer langhaariger Perücke. 1976 spielt Pierre Brice dann wieder die Rolle seines Lebens - live und vor Publikum. Die sauerländische Naturbühne in Elspe führt schon seit vielen Jahren

Karl-May-Stücke auf. In diesem Jahr gelingt der Clou:

Karl-May-Spiele Elspe
Karl-May-Spiele Elspe

Pierre Brice spielt Winnetou. Bis 1986 spielt er – mit einer Unterbrechung 1981 – zehnmal den Apachen-Häuptling und sorgt für neue Zuschauerrekorde.

 1979 dreht Pierre in Mexiko für den WDR die Serie "Mein Freund Winnetou". Bis auf die Namen der Titelfiguren haben die einzelnen Geschichten nichts mit Karl May zu tun, dafür zeigen sie ein reales Bild der Indianer und vermitteln deren Mentalität. Pierre setzt sich mit ihrer Geschichte auseinander und bringt seine Erfahrungen fortan in Elspe in seine Rolle ein.
 Damals schon an seiner Seite: Hella Krekel, mit der er seit 1978 zusammenlebt und die er 1981 heiratet.

 Von 1988 bis 1991 spielt Pierre Brice im Kalkberg-Stadion in Bad Segeberg. Die Bücher zu den Stücken schreibt Pierre selbst. Eigentlich wollte er 1990 mit "Winnetous letzter Kampf" seinen Abschied in Bad Segeberg geben, doch ihm wurde eine so große Welle der Sympathie zuteil, dass er für das folgende Jahr "Winnetou – Das Vermächtnis" schrieb. In Rückblenden lässt Sam Hawkens die wichtigsten Stationen aus Winnetous Leben Revue passieren. Von den Winnebago-Indianern, die aus Nebraska anreisten, erhält Pierre Brice am Premierenabend eine besondere und für ihn bedeutsame Auszeichnung: Die Winnebagos geben ihm den Namen "Rainbow-Man". Sie finden es erstaunlich, dass sich ein Franzose in Deutschland in dieser Weise für ihre Rechte einsetzt. Jede Farbe des Regenbogens, so erklärten sie ihm, stehe für eine Lebensaufgabe, die es zu erfüllen gelte – und was er geschafft habe.



Pierre Brice, Ralf Wolter und Hermann Giefer
Pierre Brice, Ralf Wolter und Hermann Giefer
Karl-May-Spiele Bad Segeberg
Karl-May-Spiele Bad Segeberg

Pierre Brice steht wie kein anderer als Beispiel für die deutsch-französische Freundschaft. Dafür und für die Werte vermittelnde Darstellung des Winnetou erhält er 1992 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. 2007 wird er in Berlin vom französischen Botschafter zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.




1997 zieht Pierre Brice das Winnetou-Kostüm erneut an. Im ZDF-Zweiteiler "Winnetous Rückkehr" spielt Pierre Brice einen älteren und reiferen Winnetou, der den vermeintlichen Todesschuss überlebt hat und seitdem in den Bergen lebt.

 1999 kehrt Pierre Brice noch einmal an den Segeberger Kalkberg zurück, diesmal als Regisseur der Inszenierung "Halbblut". In diesem Jahr wird er vom Karl-May-Archiv für sein Wirken um und für Karl May mit dem "Scharlih" geehrt.



 

Neben seiner Arbeit für Theater und Fernsehen engagiert sich Pierre Brice immer wieder für Menschenrechte und Kinder in Not. 1995 führt er einen zwei Millionen Mark schweren Hilfskonvoi nach Bosnien an, das vom Bürgerkrieg zerstört wurde. Er wird UNICEF-Botschafter und reist nach Kambodscha, wo er Kinder besucht, die Opfer von Landminen wurden. Die Minen haben die Kinder verstümmelt oder nahmen ihnen die Eltern. 2000 wird Pierre Brice mit dem Thomas-Morus-Preis für sein Engagement ausgezeichnet. 2005 reist er für den RTL-Spendenmarathon nach Sri Lanka, wo ein Tsunami weite Teile des Landes zerstört hat. Mit seinem Auftritt trägt er zum Aufbau eines Krankenhauses bei, das von der UNESCO unterstützt wurde.

2004 veröffentlicht Pierre Brice seine Autobiografie „Winnetou und ich – Mein wahres Leben“ im Lübbe-Verlag und geht bis 2006 immer wieder auf Lesereise, um seine Memoiren zu präsentieren. 2005 erscheint der Bildband „Pierre – Wie ich dich sehe“ seiner Frau Hella.


Bei einem seiner Auftritte bei der Lesereise lernte Pierre Brice den rumänischen Konsul Roger Lapis und dessen Ehefrau Cristina kennen. Beide engagieren sich in Brasov für den Tierschutz, leiten ein Tierheim für Hunde, die sie vor dem Tod bewahrten, und bauten einen riesigen Bärenpark auf, den Pierre 2008 einweiht. In diesem Zuge stellt er die rumänische Übersetzung seiner Autobiografie vor.


Die Leidenschaft fürs Singen hat Pierre Brice nie losgelassen, und so geht er 2008 mit Florian Silbereisen auf eine große Tournee. „Das Frühlingsfest der Volksmusik“ tourt erfolgreich durch Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Neben Gastauftritten in TV-Filmen und -Serien kehrt Pierre Brice 2010 noch einmal auf die Theaterbühne zurück. In Cuxhaven steht er für „Tjede – Ein Traum von Freiheit“ auf der Open-Air-Bühne.

 

Zu Hause auf seinem Landsitz fängt er wieder an zu schreiben und studiert Drehbücher von seinem Freund Pierre Viallet, dem Mann seiner Film-Schwester Marie Versini.

2012 kehrt er noch einmal nach Kroatien zurück und besucht ein liebevoll organisiertes Fan-Fest anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Films „Der Schatz im Silbersee“. Seine Freunde, wie Pierre Brice seine Fans immer nennt, dort zu treffen, ist für beide Seiten sehr bewegend


Am 6. Juni 2015 stirbt Pierre Brice in einem Krankenhaus nahe Paris an den Folgen einer Lungenentzündung. An der Trauerfeier am 18. Juni in der Münchener Jesuitenkirche St. Michael nehmen 1.500 Menschen teil. Einen Tag später wird Pierre Brice auf dem Gräfelfinger Friedhof beigesetzt.

Friede, Freiheit, Respekt, Toleranz und Menschenwürde: Das sind die Ideale, die Pierre Brice Zeit seines Lebens vertreten und für die er gekämpft hat. Zusammen mit seinen Freunden hat es sich Pierres Witwe Hella zur Aufgabe gemacht, diese Werte im Gedenken an ihren Mann weiter zu vertreten und Pierre Brice und die Erinnerung an ihn lebendig zu halten.